September 07, 2022

Fortgeblasen - Ein Segelabenteuer rund um die Shetlandinseln

Claudia und Jürgen Kirchberger haben ihr gewöhnliches Leben eingetauscht gegen ein Leben voller Abenteuer auf einer Segelyacht. Mit ihrem Boot „La Belle Epoque“ segeln sie immer wieder neuen Zielen entgegen. Derzeit erkunden sie fremde Länder auf einer Segelreise von der Ostsee nach Scoresby Sund, Ostgrönland und zurück. Uns haben sie jetzt einen kleinen Einblick in ihre Reise zu den Shetland Inseln gegeben.

Farblos zeigt sich die Nordsee: Ein bedeckter Himmel spiegelt sein freudloses Grau auf der Wasseroberfläche. Einzelne Eissturmvögel spielen in den kleinen Wellen rund um die langsam dahinziehende Yacht. Hin und wieder können wir einen Öltanker oder einen Fischkutter am Horizont ausmachen. Hubschrauber ziehen von Norwegen zu den Ölplattformen und zurück. Alles in allem also ein schöner Tag auf der Nordsee!

Zirka zwei Tage dauert der Segeltörn von der Küste Norwegens bis zu den Shetland Inseln im Norden von Schottland. Und mit etwas Planung und vor allem mit guten Wetterberichten bringen wir die Etappe problemlos hinter uns.

 

  © fortgeblasen.at

 

In den frühen Morgenstunden erreichen wir Lerwick – die Hauptstadt der Shetlandinseln. Wir waren schon einmal hier. Wissen, dass wir am Victoria Pier direkt vor der hübschen Altstadt festmachen dürfen. Für besuchende Yachten sind hier sogar extra Schwimmstege angebracht.

Seit unserem letzten Besuch hat sich etwas verändert: Wir sind neugierig, wie kompliziert das Einklarieren nach Brexit geworden ist. Aber alles kein Problem: Unkompliziert und äußerst freundlich heißt uns die zuständige Beamte willkommen, nachdem sie einen kurzen Blick in unsere Pässe geworfen hat. Herzlich willkommen auf den Shetlandinseln, schön, dass ihr hier seid!

Immer wieder blinzelt die Sonne zwischen den zerrissenen Wolken durch, beleuchtet die vom Regen gewaschenen Steinhäuser entlang der Marketcross Straße. Blauweiße Shetland-Fähnchen flattern im Wind und aus den Boxen über des Souvenirshops tönt Fiddel-Musik. 
 
Als wäre die Insel zu klein für ihre Hauptstadt gewesen, sind einige Häuser sogar bis ins Meer gebaut worden. Das alte „Queens Hotel“ ragt auf seinem Steinfundament über den winzigen Sandstrand der Stadt ins Salzwasser hinaus und gibt der Altstadt einen besonderen Flair.
 
Nichts an Lerwick erinnert an eine Hauptstadt oder ist anonym. Jeder grüßt jeden und auch wir fühlen uns in der kleinen Gemeinschaft sofort wohl. Menschen bleiben stehen, um mit uns ein paar Worte zu wechseln und zu erfahren, woher wir kommen. Oder sie erzählen von ihrem Leben auf der Insel. Lassen uns wissen, wo es die besten Fish´n Chips gibt oder welche Insel wir auf jeden Fall besuchen sollten. 
 
Wir wollen nicht nur die Inselhauptstadt besuchen und setzen wenige Tage nach unserer Ankunft erneut die Segel. Mit leichtem Wind ziehen wir weiter, erreichen die Nordküste von Mainland, der größten Insel der Shetland Inseln und biegen in den Yell Sund ein.
 
Obwohl nur noch eine leichte Brise weht, nimmt unsere Fahrtgeschwindigkeit stetig zu. Eine beeindruckende Gezeitenströmung rauscht durch die Engstellen zwischen den Inseln und schiebt uns vorwärts.                                                                                                                                                                                                        
© fortgeblasen.at
 

Die Shetland Inseln bilden eine natürliche Barriere zwischen der Nordsee und dem Nordatlantik und alle zwölf Stunden, wenn in der Nordsee die Ebbe einsetzt, drückt sich das kalte Wasser durch die Sunde der Shetlandinsel, um bis in den Nordatlantik zu gelangen. Mit Hilfe eines Gezeitenalmanach können wir uns diese Strömung zu Nutzen machen.

Dieses Jahr wollen wir nicht nur die Küsten der Inselgruppe kennenlernen. So haben wir unsere kleinen Motorräder mit an Bord genommen. Wir werden sie nützen, um auch Ausflüge ins Inland der Inseln unternehmen zu können.
 
Um die Motorräder auszuladen, benötigen wir allerdings einen passenden Steg. In Colla Firth werden wir fündig: Die Fischer heißen uns an ihrem Steg herzlich willkommen und beschenken uns obendrein noch mit einer Riesenportion Jakobsmuscheln und frischen Fischen.
 
An Bord eines Fischkutters wird gerade geschweißt und gearbeitet: Jährliche Wartungsarbeiten und ein paar Änderungen. Der junge Schweißer grinst, während er uns beim Ausladen unserer Wandertrials beobachtet. Und als er nach getaner Arbeit mit uns tratscht, grinsen wir: Der Schweißer ist selbst Trial-Fahrer und beschreibt uns sogleich einige spannende Schottertouren.                                                                                                                                                         
© fortgeblasen.at
 

Ronas Hill – den höchsten „Berg“ Shetlands mit seinen 480 Metern – erklimmen wir nicht gänzlich mit unseren Motorrädern. Wir wollen die geschützten Brutvögel auf seinem runden Giebel nicht stören. Auf halber Höhe biegen wir deshalb rechts ab. Auf eine Schotterpiste, die uns in die Freuden des Offroad-Fahrens einführt.

Über Stock und Stein gehts in den Westen, mit Bachdurchqerungen und über Steinkuppen. Wir werden entführt in eine Welt, die wir außerhalb der Arktis nicht vermutet hätten. Wassergetränkte, aufgerissene Torfböden, Moosteppiche und niedriges Gestrüpp. Dazwischen unzählige Teiche und Seen. „Lochs“, die mit den größten und besten Forellen gefüllt sind, wie uns ein einheimischer Wanderer versichert.
 
Wir bleiben über Tage. Nützen die Motorräder, um die Insel Mainland besser kennenzulernen. Einspurige Straßen verbinden die Dörfer der Insel, unzählige Schotterstraßen verlaufen kreuz und quer durch Schafkoppeln, führen uns zu erstaunlichen Klippen und aufgelassenen Bauernhöfen.
 
In Eshaness erreichen wir den letzten Leuchtturm aus der Konstruktion der Familie Stevenson. Der Schotte Robert Stevenson hatte das Konstruieren von Leuchttürmen von seinem Stiefvater erlernt. Über Generationen wurde dieses Wissen weitergegeben und bis heute warnen die unzähligen Leuchttürme aus der Feder der Stevensons die Seeleute vor der Küste. 
 
Mit seinem nicht besonders hohen und eckigen Turm ist der Leuchtturm von Eshaness zwar nicht vergleichbar mit den schönen Stevenson-Leuchttürmen weiter südlich, aber die Lage hoch über den Klippen und die nach Salz und Tang duftende, kühle Luft des Nordatlantiks machen sein unspektakuläres Aussehen wieder wett.                                                                                                                                                                                                                           
© fortgeblasen.at
 

Natürlich war uns der Name Stevenson schon ein Begriff, lange bevor wir den alten Leuchtturm und das Haus des Leuchtturmwärters besucht haben. Über die Grenzen berühmt geworden ist die Stevenson-Familie nicht durch die weiß-gelben Leuchttürme entlang der schottischen Küste, sondern durch die Geschichten eines Enkels von Robert Stevenson. Und so nehme auch ich mir vor, bald wieder in die Abenteuer des berühmten Romanschriftstellers einzutauchen und „Die Schatzinsel“ erneut zu lesen.

Wir haben die Shetlandinseln als Zwischenstopp auf unserer Reise über den Nordatlantik besucht. Eine Reise, auf der wir noch viele Seemeilen vor uns haben. Und so können wir nicht allzu viel Zeit auf dieser kleinen und freundlichen Inselgruppe hoch im Norden von Schottland verbringen, auch wenn es noch viel zu entdecken gäbe. 
 
Rechtzeitig vor dem nächsten, passenden Segelwetter packen wir die Motorräder zurück an Bord, besorgen ein paar frische Lebensmittel und füllen unsere Wassertanks. Dann verabschieden wir uns von den freundlichen Fischern und lösen unsere Trossen. In ein paar Tagen werden wir hoffentlich die nächsten eigenwilligen Inseln des Nordens erblicken: die Färöer Inseln.

 

Auf ihrem Blog fortgeblasen.at berichten Claudia und Jürgen Kirchberger ausführlich über ihre Abenteuer auf Reisen und deren Erfahrungen in fremden Ländern. Außerdem könnt ihr hier deren aktuelle Position immer live verfolgen.

 

Im Laufe der Zeit haben die beiden unglaublich viel Erfahrung gesammelt und diese auch in einigen Büchern zu Papier gebracht:

 

Titelfoto © fortgeblasen