Paris per Rad? Diese Idee hätte noch vor einigen Jahrzehnten gerade bei den Franzosen selbst für absolutes Kopfschütteln gesorgt, war es doch teilweise fast lebensgefährlich sich auf den Straßen von Paris Zentrums, wo sich die Autos auf bis zu vier Spuren dicht an dicht drängten, auf das Fahrrad zu wagen. Dank der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo, welche mittlerweile seit 11 Jahren in Paris regiert, hat sich enorm viel verändert und man kann Frankreichs Metropole uneingeschränkt als ausgesprochen lohnend für alle Erkundungen per Rad empfehlen.
© Dorothea Fading
In den Jahren 2015-2020 wurde ein erstes, sehr ambitioniertes Fahrradprogramm Schritt für Schritt realisiert, bei dem mithilfe von 150 Millionen eine fahrradfreundliche Stadt konzipiert wurde. Und Paris ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern verwirklicht mit einem zweiten Großprojekt „Plan Vélo“, für das ein Budget von 250 Millionen zur Verfügung gestellt worden ist, bis zum Jahr 2026 viele weitere Fahrradträume. Schon jetzt schlägt das Herz eines jeden Radlers höher, wenn er allein schon auf einer – jederzeit im Internet abrufbaren Karte - die Vielzahl aller vorhandenen Radwege in und um Paris herum entdeckt.
So gibt es nicht nur quer durch die gesamte Hauptstadt Frankreichs wunderbar ausgebaute Radwege, welche bisweilen sogar breiter als für die Autofahrer sind und man kann problemlos z.B. von dem berühmten Fußballstadion im Westen, dem Parc des Princes im Westen bis zu einem der besterhaltenen mittelalterlichen Schlössern von ganz Frankreich, dem Château de Vincennes – der dortige Wald, Bois de Vincennes, ist übrigens dreimal so groß wie der Central Parc von New York - durchgängig auf Radwegen fahren, sondern man erhält auch für jede kleinere oder größere Strecke eine Zeitangabe der geplanten Tour.
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Und dass das Radeln in Paris bei weitem nicht nur für Erwachsene möglich ist, bewiesen unsere diesjährigen Ferien, in denen ich eine Woche allein mit unserer 15-jährien Tochter sowie unseren beiden 10-jährigen Zwillingen Tag für Tag Paris „erradelt“ habe. Verfügt Paris über ein vorbildliches öffentliches Verleihsystem für Räder mit dem Namen Vélib, das wir extra für diesen Blogbeitrag auch noch am Abreisetag getestet haben, entschied ich mich sicherheitshalber schon im Vorfeld unsere Räder für fünf Tage bei einem Fahrradverleih im 2. Arrondissement mit dem leider keineswegs französisch klingenden Namen „Rent a bike“, dafür superfreundlich und kompetent, zu mieten. Ich denke, dass es gerade für Familien mit Kindern bis zu 12 Jahren sehr hilfreich ist, die Räder bereits vor dem Urlaubsbeginn zu buchen, da viele Fahrradverleihe über zahlreiche Erwachsenen-, aber nur sehr wenige Kinderfahrräder verfügen. Gegen einen geringen Aufpreis entliehen wir uns noch ein Fahrradkörbchen. Die Fahrradhelme hatte ich für jeden von uns mitgenommen und während der Zugfahrt an die Rucksäcke gehängt, damit sie uns nicht störten.
Von der ersten Fahrt mitten durch die innersten Arrondissements von Paris an waren alle unsere drei Kinder inklusive mir ausgesprochen begeistert von dieser alternativen Fortbewegungsmethode. Sie lässt einen wesentlich schneller von A nach B kommen, als wenn man alles zu Fuß laufen müsste und verbindet gleichzeitig die sportliche Aktivität mit vielen kulturellen Erlebnissen. Außerdem erspart man sich die Fahrtkosten für den öffentlichen Nahverkehr und man erhält gleichzeitig das Privileg, nicht wie in einigen Métro-Linien zu fast jeder Tageszeit üblich, wie die Ölsardinen eingequetscht zur nächsten Station fahren zu müssen. Und meistens stellt bereits der Anfahrtsweg zu der nächsten Attraktion ein lohnendes Ziel an sich dar.
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So war mir im Vorfeld gar nicht bewusst, dass wir für die von der Tochter heiß ersehnten Champs-Elysées z.B. direkt an dem sehr hippen Viaduc des Arts oder aber auch direkt an der Place de la Bastille mit der imposanten Julisäule, welche an die nur dreitägige zweite französische Revolution vom Juli 1830 erinnert, vorbeifuhren. Ich musste unsere Zwillinge zwar immer mal wieder auf allgemeine Verkehrsregeln hinweisen à la: „Du musst bei Rot stehen bleiben.“ oder „Warum fährst du denn nicht? Grüner wird es nicht mehr…“ oder aber auch: „Jetzt fahr doch endlich mal auf der rechten Seite!“, aber insgesamt fühlte ich mich immer relativ sicher bei all unseren Radunternehmungen, da wir zu einem großen Teil die extra hierfür ausgeschriebenen Radwege benutzen konnten. Dank zweier sehr stabiler und großer Fahrradschlösser, die wir ebenfalls zu Beginn vom Fahrradverleihgeschäft bekamen, konnten wir die Räder auch problemlos vor jeder angesteuerten Sehenswürdigkeit sicher absperren.
Gleich am ersten Tag fuhren wir zu dem Atelier des Lumières, einer ehemaligen Metallgießerei, in der es seit dem Jahr 2018 immer wechselnde immersive Kunstausstellungen zu bewundern gibt. Bei unserem diesjährigen Aufenthalt tauchten wir z.B. in die Welt von Saint-Exupérys „Petit Prince“ ein. Um den anschließenden Bewegungsdrang der Söhne zu stillen, mussten wir nicht etwa einen Spielplatz aufsuchen, sondern schwangen uns einfach sofort wieder auf die Räder und fuhren weiter zu einem nicht nur bei den Parisern äußerst beliebtem Park, dem Parc Buttes Chaumont. Und auch hier war der offensichtliche Vorteil des Radfahrens, dass wir nicht umständlich Métro-Linien wechseln oder auf einen bestimmten Bus warten mussten, sondern einfach losradeln konnten und unterwegs sogar noch sowohl direkt am renommierten Friedhof Père-Lachaise als auch an einem kleinen innerstädtischen Boulderplatz vorbeikamen.
Hatte ich mir im Vorfeld einige Sorgen gemacht, dass unsere Leihfahrräder nachts gestohlen werden könnten, erwies sich dies als völlig unbegründet. Wir hatten ein Zimmer in dem kostengünstigen Hotel Meininger gebucht, das gerade für Familien auch große Zimmer mit bis zu sechs Betten mit für Pariser Verhältnissen günstigen Preisen anbietet. Und einer der großen Vorteile dieser Hotelkette ist die Tatsache, dass die dortige Rezeption 24 Stunden besetzt ist. Unsere Fahrräder konnten wir direkt an zwei Bäumen vor dem Hoteleingang absperren und jeden Tag auf‘s Neue diese bereits beim Frühstück wieder fröhlich erblicken. Bei instabilem Wetter sind von zu Hause mitgebrachte Regencapes oder andere Regenkleidung sehr empfehlenswert. Ohne Rad hätte ich z.B. einige Highlights nie aufgesucht. So sind wir z.B. durch reinen Zufall, da dies der direkte Weg zu dem Schokoladenmuseum von Paris war, durch eine insgesamt 4,5 Kilometer, traumhaft schöne Parkanlage mit beeindruckenden Tunneln, welche durch hohe Graffitikunst geadelt sind, der Coulée Verte, einer ehemaligen Bahnstrecke, hindurchgefahren. Sehr empfehlenswert ist außerdem eine Bootsfahrt auf dem Canal St. Martin und einer kleinen Strecke auf der Seine, für die wir zuerst quer durch die Stadt zum Parc de la Villette radelten, in dem man sich selbst schon den gesamten Tag mit Rad und Co sportlich vergnügen könnte.
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Ein weiteres Highlight stellte für uns die Tour an der Seine dar, wo wir auf herrlich breiten asphaltierten Wegen direkt an dem Fluss viele Kilometer entlangradeln konnten, ohne auch nur einmal ein Auto oder eine Ampel zu kreuzen. Für alle Familien mit älteren Kindern, aber auch Alleinreisende oder Paare, welche eine noch größere Flexibilität bevorzugen, ist das hervorragend organisierte öffentliche Vélib-Fahrradsystem wärmstens zu empfehlen. Hierfür muss man sich einmalig auf der dortigen Seite registrieren und seine Bankverbindung angeben, damit der jeweilige Entleihpreis sowie eine Kaution abgebucht werden können. Ein großer Vorteil ist die schnelle Verfügbarkeit der Räder, bei denen man sogar zwischen einem mechanischen oder einem elektrischen wählen kann. Zudem kann man detailliert zwischen einer Benutzungsdauer von nur einer halben Stunde oder aber auch einem oder mehreren Tagen wählen. Faszinierend ist die ungeheuer große Verfügbarkeit dieser sehr gut gepflegten Leihfahrräder. So findet man an sage und schreibe 1480 Station quer durch Paris verteilt die Vélib-Räder. Hat man sich einmal durch die digitale Anmeldung gekämpft, welche mich zunächst etwas Nerven gekostet hat aufgrund des Schickens zweier völlig unterschiedlicher Codes, kann man sich für wenig Geld tolle Räder an jedem beliebigen Ort ausleihen und diese auch je nach Belieben ganz wo anders wieder zurückgeben. Ein großer Pluspunkt gerade für Familien ist zudem, dass man auf ein einziges Konto bis zu fünf Räder ausleihen kann, so dass es sich wenigstens lohnt, sich die einem per Mail zugeteilten Codes gut einzuprägen…
Wir können die Fortbewegung per Rad in und um Paris herum auf alle Fälle uneingeschränkt empfehlen. Bei dieser Besichtigungsart erlebt man die französische Metropole nicht nur aus ganz anderen Perspektiven und häufig auch aus Sicht der Einheimischen, sondern man trainiert sich zudem unverzüglich die z.B. köstlichen Macarons von Ladurée oder auch sämtliche andere kulinarische landestypische Spezialitäten sofort wieder lustvoll ab. Und anders als vielleicht für einige andere Gebiete gilt bei Paris in Punkto Radfahren absolut der Grundsatz: „Alles wird von Jahr zu Jahr noch besser.“ So stehen bereits jetzt im Jahre 2025 fast 1000 km an Radwegen in und um Paris allen zur Verfügung, weitere Kilometer sollen in den kommenden Jahren zudem noch errichtet werden.
Über Dorothea:
Dorothea liebt das Reisen, Kennenlernen von fremden Kulturen und Baden im Meer in den unterschiedlichsten Ländern. Dabei reist sie nie allein, sondern stets in Begleitung von zwei oder drei ihrer Kinder. Die begeisterte Gymnasiallehrerin für Latein und Französisch freut sich ausgesprochen, ihren Kindern auf Reisen viel unterschiedliches zeigen zu können und möchte insbesondere allen anderen Familien, aber auch Einzelstehende mit chronischen Krankheiten dazu ermutigen, trotz gewissen Handicaps alles zu wagen. So genießen die drei oder vier die unterschiedlichsten Reisen, stets mit zweimal Typ 1-Diabetes und einmal Zöliakie bei den mittlerweile neunjährigen Zwillingssöhnen im Gepäck. Über alle Unternehmungen in die Nähe und die Ferne schreibt sie auf ihrem Reiseblog Beiträge dazu.