Mai 06, 2024

Die Berge neu entdecken
Großes Karten-Update für die Rother App

Das Kartenupdate für die Rother App ist da und kommt mit einigen Neuerungen, die einen näheren Blick lohnen. Wir als freytag & berndt – verantwortlich für die Karten der App – betreten mit dem Update selbst neue Wege, sind wir doch bisher vor Allem für unsere gedruckten, analogen Karten bekannt. Wir stehen damit ein Stück weit zwischen zwei Welten. Der analogen Welt, in der jede Karte manuell nach kartographischen Regeln und Prinzipen angefertigt wird und damit höchsten Qualitätskriterien entspricht und der digitalen, in der interaktive, sehr detaillierte Karten den gesamten Globus umfassen und durch standortbezogene Dienste völlig neue Funktionalitäten zulassen.

Mit der neuen Karte versuchen wir eine Brücke zwischen diesen Welten zu schlagen. Kartographische Techniken, die wir für die Erstellung analoger Karten anwenden, versuchen wir zu automatisieren und damit den gesamten OpenStreetMap Datensatz (die einzige Datengrundlage der neuen Karte) zu prozessieren.  Es handelt sich dabei um seit langen etablierte kartographische Techniken, die der optimalen Lesbarkeit und Nutzbarkeit einer Karte dienen, welche in zeitgemäßen Webkarten aber meist nicht zu finden sind.
Eines ist jedoch klar – was eine gute Karte ausmacht gilt für analoge Karten ebenso wie für digitale. Dazu ein kleiner Exkurs:

Generalisierung

Seit Jahrhunderten beschäftigt sich die Kartographie als wissenschaftliche Disziplin damit, möglichst umfangreiche und vor allem auch relevante räumliche Informationen und deren Verhältnis zueinander akkurat auf einer abstrahierten Maßstabsebene wiederzugeben. Naturgemäß ist dabei der zur Verfügung stehende Platz der limitierende Faktor und eine der Hauptherausforderungen für das Erstellen einer Karte. Um dem zu begegnen entwickelten Kartographen wie Eduard Imhof und Jaques Bertin insbesondere im 20. Jahrhundert ein Regelwerk, das mit dem Begriff der kartographischen Generalisierung zusammengefasst wird. Darin enthalten sind Techniken, die es dem Kartographen ermöglichen relevante Informationen, leicht verständlich und ästhetisch ansprechend auf limitiertem Platz graphisch darzustellen. Für eine lange Zeit war es das Beherrschen dieser Techniken, das eine gute Karte ausmachte.

Mit dem Aufkommen leistungsstarker Computer, stark verbesserter Vermessungstechnologien, satellitengestützter Positionierungssysteme und dem Internet als Trägermedium, begann eine neue Ära für die Kartographie und plötzlich befinden sich hoch detaillierte Karten, die den gesamten Globus abdecken, jederzeit nur einen Handgriff entfernt in unseren Hosentaschen. So verblüffend diese Entwicklung auch ist, sie kam nicht ohne Abstriche. Vorangetrieben von visionären Software- und Webentwicklern verschwanden die alten Generalisierungstechniken der Kartographen weitgehend aus den neuen Webkarten und finden bis zum heutigen Tag ihren Weg nur zögerlich in diese hinein. 

Um dies zu verdeutlichen gehen wir im Folgenden auf sechs zentrale Generalisierungstechniken ein und beleuchten wie und ob diese in aktuellen Webkarten üblicherweise eingesetzt werden und wie sich die Umsetzung in den neuen Karten der Rother App unterscheidet. 

Objekt-Auswahl

Diese Generalisierungstechnik beschreibt das bewusste Weglassen bzw. Auswählen von Objekten oder Objektklassen, die als unwichtig oder wichtig für den gegebenen Maßstab und den Einsatzzweck der Karte erachtet werden. Die Auswahl ist der wichtigste Generalisierungsschritt und kommt in allen Karten zur Anwendung.

Üblicherweise begnügen sich heutige Webkarten damit gesamte Objektklassen auszublenden, wenn sich der Maßstab verkleinert. Zum Beispiel werden ab einem gewissen Maßstab alle Wohnstraßen einer Stadt ausgeblendet, oder alle Namen von Städten mit einer Einwohnerzahl unter 100 000. Das Problem dabei ist, dass die Auswahl der Objekte, die gezeigt werden soll, immer auch abhängig von den Objekten der Umgebung ist. Ist das Netz höherrangiger Straßen beispielsweise sehr dünn oder nicht vorhanden, ist es sehr wohl wünschenswert stattdessen Wohnstraßen zu zeigen, zumal der Platz ja vorhanden wäre. Ebenso möchte man in einem dünn besiedelten Landstrich auch kleinere Städte zeigen, die in dicht besiedelten Gebieten weniger relevant sind. 

Bezogen auf Straßen wird in unserer Karte daher die Dichte und Konnektivität eines Straßennetzes herangezogen und mit Hilfe eines geeigneten Algorithmus ausgedünnt anstatt gesamte Straßenklassen auszublenden. So wird eine angemessene Informationsdichte erreicht, welche die Lesbarkeit und Verwendbarkeit der Karte unterstützen.

Vereinfachung

Die Vereinfachung dient der Reduktion detaillierter Formen, die bei kleiner werdendem Maßstab (und steigender Linienbreite) nicht mehr dargestellt werden können. Auch diese Generalisierungstechnik kommt bei allen Webkarten zur Anwendung. Allerdings ist das Motiv dahinter weniger die kartographische Qualität als das reduzierte Datenvolumen. 

Der Algorithmus, der dabei Verwendung findet, ist der weithin bekannte Douglas-Peucker-Algorithmus. Er entfernt relativ redundante Stützpunkte einer Linie, während er den äußersten Stützpunkt eines Bogens beibehält, was zu spitzen Knicken in der Linie führt. Besonders anschaulich ist dieser Effekt bei Straßen die sich in Serpentinen einem Bergpass hochwinden. Diese erscheinen in Webkarten üblicherweise als eine Reihe scharfer Zacken, die in Extremfällen nicht mehr eigenständig wahrgenommen werden können. 

Wir haben uns daher bei der Erstellung der Karte des Wang-Müller-Algorithmus bedient, welcher relativ unbedeutende Windungen und Bögen in Formen erkennt und diese als Ganzes entfernt, während er den generellen Charakter einer Form beibehält. 

Zusammenfassung und Verdrängung

Befinden sich mehrere relevante Objekte so nahe beieinander, dass sie nicht eigenständig dargestellt werden können, besagen die Regeln der Generalisierung, dass diese entweder zusammengefasst oder verdrängt werden sollen. Handelt es sich um Objekte desselben Typs sollten sie zu einem Objekt zusammengefasst werden. Gehören sie zu unterschiedlichen Typen sollten sie soweit auseinandergeschoben werden, bis sie einander nicht mehr überlappen. 

Bei der Zusammenfassung als auch bei der Verdrängung handelt es sich um Techniken, die ihren Einzug in moderne Webkarten noch nicht gefunden haben. Das liegt zu einem großen Teil sicher an der Komplexität der dafür benötigten Algorithmen, aber auch an der riesigen Rechenleistung, die nötig ist um sie für einen weltumspannenden Datensatz auszuführen. 

Wir haben uns dennoch daran versucht und auf das europäische Straßennetz angewandt. Auch wenn die Automatisierung dieser Technik noch nicht einwandfrei funktioniert, kann man trotzdem einige gelungene Beispiele finden. Insbesondere in engen Tälern oder entlang von Seen, befinden sich oft mehrere Verkehrswege – wie Straße, Schiene, Wanderweg – nah beieinander, sodass sie sich in den meisten Karten stark überlappen und unter den höherrangigen verschwinden. In solchen Fällen fassen wir mehrgleisige Schienen sowie mehrspurige Straßen zu einer zusammen und verdrängen sie soweit, dass beide eigenständig dargestellt werden.

Zusammenfallen und Vergrößern

Diese letzten beiden Generalisierungstechniken werden angewandt, wenn ein linien- oder flächenhaftes Objekt zu klein ist, um klar erkennbar zu sein, aber zu groß um übersehen zu werden. Es ist ebenso wie die beiden vorhergegangen Techniken ein Generalisierungsschritt, der in modernen Webkarten verloren gegangen ist. Besonders anschaulich wird der Effekt am Beispiel von Kreisverkehren.

Kreisverkehre haben eine gewisse Relevanz, da sie charakteristisch für ein Straßennetzwerk sind und oft als Orientierungspunkte dienen. Daher ist es wünschenswert sie in der Karte deutlich darzustellen, wenn es der Maßstab erlaubt und der Platz vorhanden ist. Sind sie jedoch zu klein oder unwichtig für den gegebenen Maßstab, sollten sie ganz entfernt werden, da sie ansonsten als „unidentifizierbare Knoten“ das Straßennetz unterbrechen, wie es in vielen ungeneralisierten Karten der Fall ist. 

Uns ist es gelungen auch diesen Schritt zu automatisieren. Dabei werden zunächst alle Kreisverkehre, die einen bestimmten Durchmesser unterschreiten in reguläre Kreuzungen umgewandelt. Danach wird getestet, ob die verbleibenden Kreisverkehre als eigenständige Kreise mit erkennbaren „Loch“ dargestellt werden können und wenn dies nicht der Fall ist, werden sie durch Kreise mit entsprechender Größe ersetzt. Dadurch wird ein sauberes Straßenbild erreicht, in dem charakteristische Kreisverkehre klar erkennbar erhalten bleiben.

Bei den hier beleuchteten Generalisierungstechniken handelt es sich um kartographische Feinheiten, die dem Kartennutzer nicht sofort ins Auge springen, die Lesbarkeit und Nutzbarkeit der Karte jedoch deutlich verbessern. Wir verstehen die Karte der Rother App als zentrales Element des User Experience Designs, weshalb es uns wichtig ist diese auch in Detailfragen zu verbessern. Die gute Nachricht ist, dass die Forschung zu der Frage worin diese Verbesserungen bestehen, seit Jahrzehnten vorliegt und in den Prinzipien der kartographischen Generalisierung formalisiert wurde. 

 

Geländedarstellung

Eine wesentlich auffälligere Änderung in den neuen Karten betrifft die verbesserte Geländedarstellung. Auch hier greifen wir auf etablierte kartographische Techniken aus der analogen Welt zurück und versuchen diese zu automatisieren. Ganz wesentlich profitieren wir dabei von der Arbeit des Schweizer Kartographen Roman Geisthövel, der zur Automatisierung der Felsdarstellung im Stile der Schweizer Landeskarte forschte. Die sogenannte Felszeichnung in der Kartographie ist eine vor allem im Alpenraum entwickelte und in der Schweiz zur Perfektion gebrachte Technik zur Darstellung sehr steiler und zerklüfteter Felsformationen, die durch herkömmliche Mittel wie Höhenschichtlinien nur unzureichend dargestellt werden können.

Trotz voranschreitender Automatisierung ist die Erstellung nach wie vor mit einem hohen Zeitaufwand verbunden, weswegen die verbesserte Geländedarstellung und insbesondere die Felszeichnung zunächst nur für den Alpenraum verfügbar ist. Nach und nach werden weitere Gebiete folgen.

Neue Technologien im Bereich der Vermessung erlauben es uns außerdem auf stark verbesserte Datengrundlage in Form hoch aufgelöster Geländemodelle zurückzugreifen. Bekannte Kartographen der Gegenwart, wie Tom Patterson und John Nelson nutzen diese Geländemodelle, um mithilfe moderner Computergraphik im Bereich der Rasterverarbeitung eindrucksvolle Geländedarstellungen zu generieren. Viele ihrer Techniken nutzen auch wir, um der Geländedarstellung den letzten Schliff zu geben.

Jetzt kostenlos in der Rother App

Wir hoffen, ihr habt mit den Karten genauso viel Freude wie wir, sei es um Inspiration für die nächste Tour zu finden, sie zu planen oder im Gelände zu navigieren. Denn obwohl eine Karte in erster Linie ein gut funktionierendes Werkzeug sein soll, darf sie auch ruhig schön aussehen und zum Träumen einladen. 
Die neuen Karten stehen ab sofort kostenlos in der Rother App zur Verfügung. Für Android, iPhone und Web auf www.rother.app.

 

Das Wichtigste im Überblick:

  • Exakte und übersichtliche Karten zum Navigieren im Gelände
  • Plastische Fels- und Geländedarstellung
  • Markierte Wanderwege sind deutlich hervorgehoben und beschriftet
  • Downloadbar zur Offline-Nutzung
  • Verfügbar als Wander- und Radkarte
  • Kostenlos in der Rother Touren-App