Bewegte See in Richtung Färöer
Böswillig stellt sich die See auf, noch bevor wir offenes Wasser erreichen. Hier, am Ausgang des Yellsund auf den Shetlandinseln arbeitet ein kraftvoller Gezeitenstrom gegen die Dünung des Nordatlantiks und sorgt für konfusen Seegang.
Doch können wir nicht darauf warten, bis sich Strömung und See beruhigen. Wir müssen die wenigen Tage Schönwetter nützen, wollen wir unser nächstes Ziel – die Färöer Inseln im Nordatlantik - sicher erreichen.
Meterhoch, steil und kraftvoll schlagen die Wellen auf unser kleines rotes Segelboot ein. Heben uns, um uns sogleich ins nächste Wellental zu werfen. La Belle Epoque torkelt, schlingert, springt und bockt.
Konzentriert sitze ich am Steuer um das Boot gut durch die hochschlagende See zu bringen. Und, um meinen Mageninhalt nicht der See übergeben zu müssen. Jürgen will bald nichts mehr von diesen Wellen wissen – und verzieht sich in die Koje.
Dann lassen wir die letzten Felsen hinter uns, erreichen den offenen Atlantik und mit ihr den „normalen“ Seegang. Immer noch um die 3 Meter hoch, immer noch eine Kreuzsee mit einer langen Dünung aus Süd, überlagert von einer hohen Restsee aus Nordwest und dazu einer unerklärlichen See aus Ost. Und das, obwohl die letzte Woche stürmischer Nordwest stand und die Shetland Inseln hinter uns jegliche Dünung aus dem Osten abhalten sollten.
© fortgeblasen.at
Die Färöer Inseln im Blick
Nach zwei Tagen auf See entdecke ich um elf Uhr abends die schroffen Felsen der Færø Inseln. Doch sollte ich sie schnell wieder aus den Augen verlieren. Nach Sonnenuntergang gegen Mitternacht deckt das Meer die Welt mit dichtem Nebel zu. Nebel, der beinahe den Bug verschluckt. Der sich am Deck und den Scheiben fängt und nass von den Masten tropft.
Erst direkt vor der Küste hebt sich der Nebel, bleibt als graue Wand im Kielwasser stehen. Und lässt uns mit dem Gefühl zurück, durch ein magisches Tor in eine neue Welt geschlüpft zu sein.
Die aufgehende Sonne färbt den klaren Himmel in dezentes Rosa, sattgrün leuchten die Weiden über den schwarzen Vulkanklippen. Die Lichter der Stadt verblassen im neuen Morgen und die auslaufenden Kutter bilden eine kleine Parade. Die Strömung schiebt uns unweigerlich bis zur Hafeneinfahrt und wir laufen langsam zwischen den großen Kuttern, den Kreuzfahrern und Fähren bis in den überfüllten Bootshafen.
Ankunft in Tórshavn
Tórshavn – der Hafen von Thor –, vielleicht die kleinste Hauptstadt der Welt.
Selten ist Strömung so angenehm wie in diesem Moment. Die Segel hängen an den Masten, die leichte Brise ist kaum noch zu spüren. Die Sonne spiegelt auf dem glatten Wasser. La Belle Epoque treibt wie von Geisterhand mit drei Knoten an den Inseln Hestur und Koltur vorüber. Wir haben die Gezeitenströmung richtig kalkuliert.
Träge genießen wir die Sonnenstrahlen, beobachten die Eissturmvögel und Papageientaucher, bewundern die einsamen Farmen in den tiefen, grünen Tälern entlang der Ufer.
Rauf auf die Motorräder in Vestmanna
Am Steg von Vestmanna erwachen wir aus der gemütlichen Trägheit und heben die Motorräder aus ihrer Buggarage. Morgen soll noch einmal die Sonne scheinen und solche Tage dürfen auf den Færø Inseln nicht ungenützt verstreichen!
Am folgenden Morgen packen wir uns erst einmal zusammen: Skiunterwäsche, Fleecepullover und warmes Innenfutter unter dem Endurodress, ein Rucksack mit Fotoausrüstung, Straßenkarten und Snacks, der zweite Rucksack mit extra Benzin und Zweitaktöl. Joker ziehen, ein Kick, gut, vielleicht ein zweiter. Ein letzter Blick auf die Karte und es geht los.
Nur ein kurzes Stück geht es über die neue Inselhauptstraße, wo immer möglich, biegen wir auf kleine Nebenstraßen ein. Fahren Umwege, landen absichtlich in Sackgassen und bestaunen die winzigen Siedlungen.
Auf der alten Verbindungsstraße geht es weiter. Als Ziel haben wir uns die alte Radarstation auf einem der höchsten Gipfel der Insel gesteckt.
Nach einem ersten steilen Anstieg biegen wir rechts ein. Vor uns windet sich wie erhofft eine traumhaft schlecht präparierte Schotterpiste entlang des Berghangs.
Kilometer für Kilometer klettern die Wandertrials über die Steine, überqueren seichte Wasserläufe und rutschen durch nasse Schlammlöcher. Hier und dort beobachten uns ein paar Schafe misstrauisch. Auf den Basaltklippen hoch über uns landen die Sturmvögel in noch so kleine Felsnieschen.
Dann erreichen wir das Ende der Piste. Tief unter uns öffnet sich ein einsames Tal, bevor die Felsen senkrecht in den Atlantik abfallen. Wir stellen die Motorräder ab und setzen uns auf einen Stein.
Einsame Ruhe fesselt uns in ihrer Weite. Der kalte Wind treibt weiße Wolkenfetzen über die Hänge. Zwei Austerntaucher zanken sich auf einem Felsen. Nur die Schafe bleiben unbeeindruckt.
Naturschauspiel Nordatlantik
Am frühen Abend sind wir zurück beim Boot. Es ist Zeit, ein kleines Stück weiter zu ziehen. Wir segeln entlang der nordwestlichen Küste von Streymoy.
Wunderschöne Küstendörfer und Traumstraßen
In Ei∂i finden wir einen bequemen Platz am Schwimmsteg. Wir wandern über die Klippen, versuchen erfolglos, ein paar Höhlen tief unter uns zu erreichen.
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Der Wetterbericht zeigt: Wir müssen noch einen Tag warten, bevor wir zu unserer Segelreise nach Island aufbrechen können. Zeit genug, um die Motorräder noch einmal aus ihrer Koje zu hohlen.
Zurück an Bord packen wir zum letzten Mal auf dieser Insel unsere Wandertrials zurück an Bord. Es wird Zeit, weiterzuziehen. Morgen, um sechs Uhr früh, werden wir erneut in See stechen. Nächstes Ziel: Island
Weitere Abenteuer von Claudia und Jürgen
Was das Abenteurerpaar auf den Shetlandinseln alles erlebt hat, könnt ihr in diesem Blogpost erfahren.
Auf ihrem Blog fortgeblasen.at berichten Claudia und Jürgen Kirchberger ausführlich über ihre Abenteuer auf Reisen und deren Erfahrungen in fremden Ländern. Außerdem könnt ihr hier deren aktuelle Position immer live verfolgen.
Über 25 Jahre sind die zwei schon unterwegs. Einige ihrer Abenteuer könnt ihr auch in ihren Büchern selbst erleben:
Wenn euch jetzt die Lust auf einen Färöer-Trip gepackt hat, stöbert doch mal in unserer Produktkategorie.
Titelfoto © fortgeblasen